Hannover | Landesmuseum
Wie unter freiem Himmel
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Das Landesmuseum in Hannover ist das größte staatliche Museum Niedersachsens. Die auch Weltenmuseum genannte Kunstinstitution ist untergliedert in drei Themenbereiche: Naturwelten, Menschenwelten und Kunstwelten. Letztere sind im zweiten Obergeschoss gelegen, welches durch Tageslichtdecken verknüpft ist. Diese Oberlichtsäle sind ein wichtiges Identitätsmerkmal des Landesmuseums, das vom dem Architekten Hubert Oswald Ludwig Stier geplant und 1902 fertiggestellt wurde.
Während des zweiten Weltkrieges wurden einige Dächer zerstört und mussten nach Kriegsende wiederaufgebaut werden. Im Laufe der Jahrzehnte ergaben sich zunehmend Probleme mit den Dachkonstruktionen. Zum einen Drang Wasser bis in den Ausstellungsraum, zum anderen entstand durch ein zu großes Temperaturgefälle Kondensationsfeuchte und es bildeten sich Schmutzablagerungen in der Zwischendecke, was zu schwierigen und häufig nötigen Wartungen führte. Die Hälfte der Glasdächer mussten jährlich gekalkt werden, um den Licht- und Energieeintrag zur vermindern. Dennoch erreichten die Temperaturen im Innenraum an Sommertagen bis zu 30°C und die wertvollen Exponate wurden überbelichtet. Eine Machbarkeitsstudie ergab, dass das Schließen der Dächer, aufgrund der auftretenden bauphysikalischen Schwachstellen, die beste Option ist – auch wenn dabei das Tageslicht ausgeschlossen werden musste.
An diesem Punkt wurde Studio DL als Fachplaner für die Kunstlichtbeleuchtung hinzugezogen. Auf Grund der Bestandsaufnahme, Bau- und Nutzungsgeschichte wurde sich auf die geschaffenen Raumqualitäten von Hubert Stier zurückbesonnen. Die – vor der Renovierung – raumdominierenden, gependelten Stromschienen wurden entfernt und die Raumhöhen einiger Säle wurden wieder ins ursprünglich lichte Maß gerückt. Dadurch wurden sämtliche Fremdkörper aus der Perspektive des Nutzers entfernt und der Fokus wieder auf die architektonischen Qualitäten der Decke gerichtet. Kernpunkt des Lighting Designs war es, die ursprüngliche Charakteristik eines durch Tageslicht erfüllten Raumes beizubehalten. Bei dem Besucher soll das Gefühl ausgelöst werden, Kunstgeschichte unter freiem Himmel zu betrachten. In diesem Sinne studierte das Planungsteam die Wirkung auf die Kunst, den Besucher und die räumliche Ästhetik von Tageslichtdecken, um für das Landesmuseum die bestmögliche Lösung zu erarbeiten. Tageslichtdecken sind dem Wesen nach in der Lichtfarbe nicht einheitlich, sodass warme als auch kalte Farbtemperaturen durch Lichtbrechung wahrzunehmen sind. Darüber hinaus erzeugen die meisten Lichtdecken eine Tiefenwirkung, die den Raum und Konstruktionen hinter den Glaseinsätzen leicht erahnen lassen.
Studio DL konstruierte mehrere maßstäbliche Mustervarianten der Lichtdecke und testete diese im Lichtlabor, um die beste Wahl an Material- und Komponentenzusammensetzung zu finden sowie den besten räumlichen Effekt zu erzielen. Im Anschluss wurde mit den so ausgewählten zwei finalen Varianten eine großen 1:1 Bemusterung im Museum zusammen mit Kuratoren und allen weiteren Projektbeteiligten durchgeführt. Gemeinsam wurden die Qualitäten der Muster beurteilt und Lichtmessungen an den Kunstwerken durchgeführt. Die Auswahl fiel auf die Lichtdeckenvariante mit changierendem Blaueffekt. Je nach Betrachterperspektive entsteht ein unterschiedlicher Eindruck der Decke in verschiedenen Blaunuancen. Durch diese innovative Lösung ist jeder Blickwinkel einzigartig.
Um das Schädigungspotenzial der neuen Beleuchtung aufgrund der bläulichen Erscheinung zu bewerten, führte Studio DL Spektralmessungen und Analysen durch. Diese ergaben, dass im Vergleich zu herkömmlichen Lichtdecken keine schädlicheren Auswirkungen auf die Kunstwerke erfolgen. Eine sanfte Voutenbeleuchtung komplettiert das Gesamtbild der Decke. Dadurch wird der Kontrast der leuchtenden Lichtdeckenflächen zu den raumbildenden, dunkleren Wänden deutlich gemindert.
Dank detaillierter Analysen und gewissenhaftem Designverständnis konnte die Beleuchtungsqualität im Landesmuseum in interdisziplinärer Kollaboration auf ein neues Niveau gebracht werden, ohne dabei den traditionellen Charakter zu verlieren. So wurde eine den hochwertigen Gemälden adäquates Licht- und Raumbild erzeugt. Der erste Bauabschnitt wurde 2021 fertiggestellt, die restlichen Abschnitte befinden sich derzeit in Realisierung.
Land:
- Deutschland
Stadt:
- Hannover
Auftraggeber & Bauherr:
- Staatliches Baumanagement Hannover
Nutzer:
- Landesmuseum Hannover
Architektur:
- PK+ Architekten
Lichtdeckenhersteller:
- Rentex
ELT-Planung:
- ETG
Elektroinstallation:
- Ritter
- Prokot
Fotos:
- Henning Stauch
Fertigstellung 1. Bauabschnitt:
- 2021